Habe keine Angst, habe einen Plan!
Der Fall Sarah Everard schlug große Wellen. Und er machte auch mich fassungslos und wütend. Zum einen, weil Überfälle auf Frauen nach wie vor passieren. Ehrlich, da geht mein Puls auf 180! Zum anderen, weil manche Zeitungen schrieben, Angst sei für Frauen ja ganz normal, wir würden das von klein auf hören und müssten damit leben. Ist das so?
Eine kurze Zusammenfassung dieses Vorfalls in London: Sarah Everard besuchte ihre Freundin und ging gegen 21h nach Hause. Während sie sich auf ihrem ca 3km langen Heimweg befand, telefonierte sie eine Weile mit ihrem Freund. Anschließend zeichnete eine Überwachungskamera auf, dass die junge Frau neben einem Auto stand, in dem ein Mann und eine Frau saßen. Das war das letzte Lebenszeichen. Die Leiche von Sarah wurde später in einem Wald entdeckt, ein Polizist kurz darauf verhaftet.
Der Fall sorgte für einen Aufschrei. Er zeigte nämlich, dass Frauen, auch wenn sie sich an Sicherheitsmaßnahmen halten und in vermeintlich guten Gegenden unterwegs sind, nicht sicher sind. Dass nach wie vor furchtbare Dinge passieren. Unpassenderweise kam sodann der Rat der Londoner Polizei, als Frau nachts das Haus besser nicht mehr zu verlassen. Ein ganz falscher Ansatz.
Ich habe unzählige Artikel zu dem Fall gelesen. Einfach, weil ich so betroffen war. Was mich an manchen jedoch gestört hat, waren Aussagen wie:
„Angst am Heimweg ist für Frauen ganz normal.“
„Frauen müssen ja Angst haben […]und beleuchtete Umwege gehen […] unfreundlich und ja nicht einladend aussehen.“
Und so weiter.
Ich finde gut, dass jetzt darüber geredet wird, Frauen mehr zu schützen. Und ich finde es auch richtig, dass die Gesellschaft dafür sorgen sollte, dass niemand mehr Angst hat. Alle sollten achtsam sein, helfen, und natürlich keine Gewalt ausüben. Educate your son und so weiter. Soviel zur Theorie, in der Praxis sind wir von einer 100% friedlichen Welt weit entfernt. Das ist schade, besorgniserregend und überhaupt nicht gut, aber leider Realität.
Also:
Lasst uns Frauen bitte nicht von vornherein einreden, sie MÜSSEN Angst haben, weil sie Frauen sind.
Ja, man/frau sollte draußen vorsichtig sein.
Ja, man/frau sollte sich um seine Sicherheit kümmern.
Aber ich empfinde Vorkehrungen wie mit offenen Augen durch die Welt laufen, achtsam sein, nicht aufs Handy starren, keine Ohrhörer tragen, auf beleuchteten Straßen gehen usw. nicht als so negativ, wie es jetzt manchmal verkauft wird. Das ist für mich ganz normales Verhalten. Und ich empfehle das nicht nur Frauen und meiner Tochter, sondern meinem Sohn genauso. Das wichtigste Wort in Selbstverteidigung ist „selbst“. Ich verlasse mich daher in Bezug auf meine Sicherheit auf niemanden bzw. nicht auf Hilfe von außen, nur auf mich selbst.
Auch nicht vergessen darf man, dass ängstliche Personen, die das ausstrahlen und eine entsprechende Körperhaltung haben, eher als Opfer ausgewählt werden als andere – und zwar unabhängig von zB. Alter, Kleidung oder Körpergröße (Studie von 1984, New York City, Betty Grayson und Morris I. Stein). Ängstlich durch die Gegend schleichen ist demnach eher kontraproduktiv.
Erwähnt werden muss auch noch, dass Victim Blaming – also dem Opfer die Schuld geben – völlig verkehrt ist. DAS OPFER HAT NIEMALS SCHULD!!! Lasst euch das bloß nicht einreden. (Obiger Absatz bezieht sich rein auf die Sicht des Täters.)
Ich wünsche mir von Herzen, dass ihr angstfrei unterwegs sein könnt😊
Habe keine Angst, habe einen Plan. Pass auf dich auf!
Sije Sabine
Bilder: Canva